Auch der Wiesbadener Kurier (WK) hat sich mittlerweile der Thematik rund um Teranet angenommen. Leider aber in der gewohnt „zurückhaltenden“ Art und Weise, wenn es darum geht, Prestige-Projekte der CDU unter die Lupe zu nehmen und knallharte Wirtschaftsinteressen zu hinterfragen. Zudem ziemlich spät, wie ich finde. Meine Gedanken dazu hatte ich jedenfalls bereits vor Monaten hier veröffentlicht.
Worum geht es nun?
Unter dem Titel „Drückerkolonnen“ bei Glasfaserausbau in Taunusstein versucht sich das Regionalblatt in investigativem, zumindest in echtem Lokal-Journalismus über die Grenzen von Pressemitteilungen und DPA-Artikeln hinaus. So mutet zumindest die Subline an: „In Taunusstein werden Beschwerden laut über die Vertriebsmethoden des Glasfaserunternehmens Teranet. Das sagen Anwohner und Verantwortliche dazu.“
Der WK hat also einen etwas längeren Artikel veröffentlicht, in dem das diffuse Gefühl beleuchtet werden sollte, dass es sich bei Teranet um eine Drückerkolonne handeln könnte. Den Artikel findet ihr hier: https://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/kreis-rheingau-taunus/taunusstein-kreis-rheingau-taunus/glasfaser-in-taunusstein-2266211. Leider ist der Artikel gut hinter eine Bezahlschranke (Paywall) versteckt, sodass die Reichweite gewollt niedrig ausfällt. Dabei wäre das m. E. gar nicht schlimm gewesen, für Teranet und die Stadt Taunusstein, denn…
Glaubt man dem WK, dann sind der Stadt die Hände gebunden und Teranet ist fast schon das Opfer übertriebener Befindlichkeiten von höchst vereinzelten Individuen, die irgendwie empfindlich reagieren und gar nicht zu schätzen wüssten, welchen Dienst der Retorten-Anbieter aus Kiel da für die Gesamtgesellschaft leistet. Dabei kratzt der WK – ob bewusst oder unbewusst, sei dahingestellt – nicht einmal wirklich an der Oberfläche. Mir selbst, aus eigenen Erlebnissen mit Teranet-Verkäufern an der Wohnungstür, wie auch Menschen, die mich auf Teranet ansprachen und ansprechen, ist Teranet in höchst negativer Erinnerung geblieben.
Die wichtigen Fragen vergessen
Die augenscheinlichen Evergreens, die der Wiesbadener einfach überhaupt nicht thematisiert:
- Einmal klingeln reicht nicht. Wenn du nicht sofort zur Tür rennst, wird geklingelt, bis du wenigstens genervt aufmachst.
- Man sei im Auftrag der Vermieterin da. Doof nur, dass es ein Vermieter ist und der wiederum alles nur über eine externe Hausverwaltung laufen lässt.
- Kontodaten übergeben, um die Bonität zu prüfen, damit ein Angebot erstellt werden kann.
- Keine DSGVO-konforme Protokollierung, keine Einverständniserklärung.
- Verkäufer ohne Unterlagen: Ein Typ mit einem Smartphone kommt vorbei und sammelt alle persönlichen Daten ein.
- Unterschlagen von Informationen: Es werden keine Produktdaten, keine technischen Details weitergegeben, um zu belegen, dass die ohnehin schon existente Glasfaserleitung im Haus den Ansprüchen der Realität überwiegt.
- Plumpes Schlechtreden des bestehenden Anbieters, ohne überhaupt zu fragen, welches Produkt und Co derzeit genutzt wird.
- Nein heißt… Vielleicht doch ja? Teranet akzeptiert kein freundliches „Nein. Kein Interesse.“ Dem eigenen Wunsch, dass man endlich das Haus verlässt, muss man durchaus Nachdruck verleihen.
- Unvollständige Angaben über die genauen Kosten für die Installation der „neuen“ Leitung
- Völliges Ignorieren von bereits bestehenden Gigabit-Glasfaserleitungen am „Verkaufsort“
Das, um nur die gängigsten Rückmeldungen zu beschreiben. Vom schlechten Verkaufsstil bis zum illegalen Erschleichen persönlicher Daten, Missachtung von Verordnungen und fehlendem Wissen über die Produkte ist alles dabei. Viele Aspekte, die dafür sprechen, dass sich Teranet ausschließlich um blanke Verkaufszahlen sorgt anstatt darum, Menschen zu geben, was sie womöglich brauchen. Da wird auch Senior:innen erzählt, sie bräuchten auf jeden Fall eine Gigabit-Leitung, weil die alten Kupferleitungen ja nichts brächten und bald verschwinden würden. Dass die Leute teilweise ihr Internet – wenn überhaupt – nur für das Surfen mit dem Handy nutzen, spielt dabei keinerlei Rolle.
Geschäft mit der Verunsicherung
Nun gut, im Rahmen einer Schnell-Recherche geht man vielleicht nicht so sehr in Tiefe, es muss ja schnell gehen. Nur gut, dass dennoch Zeit war, klarzustellen, dass die Stadt wie auch Teranet der Überzeugung sind, dass es nicht mehr als Einzelfälle sind. Denn am Ende würde sich am tatsächlich kaum jemand beschweren. Es müssen also Einzelfälle sein.
Das Problem dabei: Durch die extrem enge und in der Lokalpresse breitgetretene „Kooperation“ der Stadt Taunusstein mit Teranet, zusätzlich einem Exklusivplatz quasi mitten Rathaus (so die Wahrnehmung einiger, beim Anblick der Teranet-Filiale am Dr.-Peter-Nikolaus-Platz), die medienwirksamen Auftritte, Plakate, die die ganze Stadt pflastern und eine Stadtverwaltung, die nicht müde wird, den segensreichen Einsatz der Drückerkolonne Firma zu würdigen, entsteht bei vielen der Eindruck, dass die nichts Unrechtes tun könnte, ja quasi auf Geheiß der Stadt agierte. Dass auch so einige Daten gar nicht ohne Zustimmung und echte Begründung aufgenommen werden dürfen und dass viele im Mehrfamilienhaus eben davon ausgehen, dass es stimmen müsste, wenn eine Firma angeblich vom Vermieter geschickt wurde, führt insgesamt zu der Situation, wie wir sie vorfinden: Eine Drückerkolonne, die freie Hand hat, vor der man sich weg duckt und alle deren angebliche Legitimität preisen.
Warum stellt der WK dazu nicht die Frage, wieso zufällig alle Ausschreibung bei hunderten Kommunen das gleiche Ergebnis liefern? Dass alle durch die Bank weg 40 % der Einwohner:innen als Kund:innen zugesagt bekommen? Was ist mit der Frage danach, wie die Stadt überhaupt dazu kommt, 40 % der Einwohner:innen als Preis für einen Privatinvestor auszuloben? Ja, lieber Wiesbadener Kurier, natürlich stellen Stadt und Teranet gleichlautend fest, dass es nur Einzelfälle sind. Denn wenn die Stadt diese 40 % seiner Einwohner:innen nicht in die Kundendatenbank von Teranet treibt, dann war’s das auch mit dem aktuellen Prestige-Projekt für die Stadt und den ein oder anderen aufstrebenden Lokalpolitiker.
Tatsächlich ist Teranet auch nicht nur für die Taunussteiner:innen selbst sehr problematisch. Mit fingiert guten Angeboten, einer von Stadt und Lokalpolitikern gehypten Kampagne, wird ein Verdrängungswettbewerb gegen große, etablierte Anbieter gefahren, die viele Arbeitsplätze anbieten, die sich auch in Krisenzeiten als stabil erwiesen haben und eben ohne solche Touren auskommen, wie aggressiven Haustürgesprächen.
Klare Forderung an die Stadt: Schluss damit!
Aus linker Perspektive darf es nicht sein, dass nach allen Privatisierungen und Buckeleien vor der (Lokal-)Wirtschaft, die Menschen, die die Stadt erst mit Leben füllen und deren Existenzgrundlage bilden, der Retorte einer Investorenfirma zum Fraß vorgeworfen werden. Daher fordere ich: Beschwerden über Teranet zentral zu sammeln, Menschen zum Feedback aufzurufen, alle von Teranet erhobenen und verarbeiteten Daten auf deren Rechtmäßigkeit zu prüfen sowie die Protokolle über Beratungen und von Interessent:innen unterzeichnete Einverständniserklärungen zur Datenerhebung einzufordern. Die Stadt als lokaler Bezugspunkt, als zuhause, als sozialer Lebensmittelpunkt, muss sich schützend vor Ihrer Bürger:innen stellen, wenn eine von der Stadtverordnetenversammlung durchgewunkene Verkaufsveranstaltung zulasten der Menschen geht – anstatt mit den Schultern zu zucken und darauf zu vertrauen, dass die Menschen das, wie auch alles andere, einfach schlucken werden.
Schluss damit!