Zum moralischen Versagen von FIFA und DFB

Bis vor kurzem haben viele Menschen eine Renaissance des Rückgrats des Deutschen Fußball-Bundes DFB gewittert, als man sich vollmundig dazu bekannte, trotz allem Widerstandes seitens FIFA und Bossen in Katar, zumindest nicht auf die One-Love-Kapitänsbinde verzichten zu wollen. Plötzlich waberte für viele Noch-Optomist:innen eine Hiobsbotschaft durch die digitalen Räume: Manuel Neuer wird bei den WM-Spielen in Katar nun doch nicht mit der „OneLove“-Binde auflaufen. Der DFB und die anderen an der Aktion beteiligten Verbände würden laut DFB wegen angedrohter FIFA-Sanktionen auf das Symbol verzichten. Spielersperren standen im Raum. Das Mittel also, mit dem man den Mannschaften gegenüber ausreichend Druck machen kann.

Auf Facebook war in diesem Zusammenhang mit der folgenden – natürlich bewusst provokanten – Fragestellung konfrontiert. Und obwohl sie nur provozieren sollte, halte ich es für wichtig, an dieser Stelle eine Einordnung vorzunehmen. Denn mittlerweile führen allerhand provokante Gedanke dann doch zu Wegen, die, wenn es noch gut läuft, Destruktiv sind.

Sollte man bei der WM mal Bälle aus Beton hinlegen? Dann würden die Spieler verstehen, wie es sich anfühlt, wenn Körperteile auf Beton treffen.

Ich verstehe den Zorn und den Frust vieler Menschen in dieser Hinsicht sehr gut. Die Frage ist aber dennoch: „Was bringt es?“

Die FIFA hat in den letzten Wochen immer eindeutiger gezeigt, dass sie keinerlei gesellschaftliche Verantwortung übernimmt oder überhaupt übernehmen will sondern, dass sie letzten Endes nur ein Wirtschaftsunternehmen von vielen ist. Bedacht auf maximalem Profit und ohne Rücksicht auf Verluste. Die bisherigen Korruptionsfälle bilden dabei einen Grundbaustein, den es bedarf, ein weltumspannendes Machtkonstrukt aufzubauen, dass tief in die höchstpersönlichen Lebensbereiche von Milliarden Menschen Einzug hält.

Wirtschaftsunternehmen wie die FIFA bekommt man in der Konsequenz nur über das Geld eingefangen. Und das fängt mit Boykott an. Boykott von allem, was mit der FIFA zu tun hat. Das Problem an der Sache ist ja, dass du von unten heraus nur auf den eigenen Verband Einfluss nehmen kannst. Und das fängt wiederum beim Dorfverein an. Der wird sich leider umschauen, dass er darunter leidet, dass die Mutter aller Fußball-Verbände ein skrupelloser Haufen geldhöriger Machtmenschen ist. Und dennoch bildet jedes einzelne Glied, jeder noch so kleine in Verbänden organisierte Klub, diese weltumspannende Kette, eine Kette, die geißelt, knebelt und fesselt gleichermaßen. Verständlicherweise missfällt das ganz vielen Menschen, weil hierdurch offensichtlich wird, dass „Empörung“ allein eben nicht ausreicht, um Dinge grundlegend zu ändern.

Ein reflexhaftes Verteidigen einer patriarchal-machtzentrierten Marke kennen wir aus vielen anderen Bereichen. Was der Marke zuwider spricht, muss gelogen sein. Oder zumindest auf reinem Neid oder auf Missgunst beruhen. Oder auf Unwissenheit. So die Erzählung eingefleischter und auch eingekaufter Fifa-Fanboys. Dieses Denken hat sich schon an unzähligen Stellen als Irrsinn herausgestellt und tut es dem in diesem Fall gleich.

Was aber ist mit den Spielern, die da für ihre Gehaltsschecks kicken?

Ohne irgendjemandem zu nahe treten zu wollen, ich vermute ganz ehrlich, dass die meisten Nationalspieler so sehr in ihrer Versace- und Luxusauto-Blase festhängen, so sehr vom System vereinnahmt und geformt und in Oberflächlichkeiten eingehegt wurden, dass sie gar nicht nachvollziehen können, was da tatsächlich so passiert. Fünfmal die Woche Training, hierhin fliegen, dorthin fliegen, die Familie meistens nur über Skype sehen und per Telefon hören können, unendlich viel Blabla in Trainingscamps – natürlich nicht zur Situation der Welt, sondern über die Freistöße von Spieler X oder wohin Y für gewöhnlich seine Eltern schießt. Handwerkszeug für den Fußballer eben. Und doch sind sie die meiste Zeit vollkommen von der realen Welt abgeschnitten – der Verband ihrer Arbeitgeber ist zudem ein repressiver Menschenhändler, der für seine Milliarden über Leichen geht.

Das soll nichts rechtfertigen. Im Gegenteil. Dennoch habe habe das Gefühl, dass die Spieler gewissermaßen dumm gehalten werden und es gleichzeitig irgendwie auch bereitwillig geschehen lassen. Denn Reichtum und Bekanntheit machen bequem und distanziert.

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