Glasfaserausbau – für wen wirklich?

Taunusstein. Auf Facebook wurde ich von einem Taunussteiner gefragt: „Wie steht die LINKE vor Ort zu den Plänen eines Ausbaus der Glasfaserinfrastruktur durch die Firma Teranet?“ Natürlich kann ich an dieser Stelle erst einmal nur für mich selbst sprechen. Was ich hiermit tue.

In ihrer Pressemitteilung vom 15.7.2022 schreibt die Stadt Taunusstein:

Glasfaserausbau in Taunusstein: Stadt und GVG Glasfaser unterzeichnen Kooperationsvertrag
Bürgermeister Sandro Zehner und der Geschäftsführer der GVG Glasfaser, Michael Gotowy, haben einen Kooperationsvertrag zum flächendeckenden Glasfaserausbau in Taunusstein unterzeichnet. Damit könnten auch die sieben bislang noch nicht an Glasfaser angeschlossenen Taunussteiner Stadtteile künftig mit ultraschnellem Internet durch die GVG-Marke teranet versorgt werden – sofern sich mindestens 40 Prozent der Haushalte für einen Vertragsabschluss entscheiden. - https://www.taunusstein.de/portal/pressemitteilungen/flaechendeckender-glasfaserausbau-in-taunusstein-stadt-und-gvg-glasfaser-unterzeichnen-kooperationsvertrag-900002567-29880.html

Eine von Investoren getriebene Firma kommt in die Stadt und erklärt dem Bürgermeister, wenn 40 % aller Haushalte der Stadt einen Vertrag machen, gibt es schnelles Internet. Ein Angebot, bei dem man meinen könnte, dass es das in Taunusstein nicht geben würde. In Taunusstein leben (Stand August 2022) 31 194 Menschen, die sich auf 12 750 Haushalte aufteilen. Die Firma möchte also die Garantie, wenigstens 5100 Verträge in den Privathaushalten der Stadt zu platzieren, ehe sie mit der Arbeit beginnt.

Dass in Deutschland einiges in Sachen Digitalisierung passieren muss, ist jedem klar. Dass dafür die nötige Infrastruktur, vor allem schnelle Leitungen, zur Verfügung stehen muss, ist ebenfalls selbstverständlich. Glasfaser ist da eine zukunftsfähige Sache, ohne Frage. Mir persönlich stößt allerdings bitter auf, wie das Procedere vonstatten geht. Es fängt bereits mit der Kommunikation an. Es sind nicht nur Werbetafeln der Firma Teranet, die es in Taunusstein mittlerweile an vielen Laternenmasten bequem gemacht haben – von anderen Anbietern ebenso in den Nachbargemeinden. Die Message darauf sinngemäß „Ja zum Ausbau“. Was natürlich nicht dabei steht: Was das alles kostet und wem es wirklich nützt. So erweckt die Kampagne bei zu vielen Menschen die Erwartung, es ginge lediglich um deren Einwilligung, Zuspruch – wie eine Bürger:innen-Abstimmung nur eben ohne Wahllokal. So kommt es zu dem Eindruck, dass sie irgendwie, irgendetwas geschenkt bekommen. Gestützt dadurch, dass die Stadt selbst im Rahmen ihrer Marketing-Kampagnen das Projekt pusht, erfährt das Unterfangen eine gewisse Legitimierung. Immerhin liegt die Vermutung bei den Bürger:innen nahe, dass die Stadt ja nur deren Bestes will.

GVG-Geschäftsführer Michael Gotowy in der Pressemitteilung der Stadt: „Sollten sich während der Vermarktungsphase mindestens 40 Prozent der Haushalte beziehungsweise Unternehmen für einen kostenfreien Glasfaserhausanschluss in Verbindung mit einem attraktiven teranet-Tarif entscheiden, wird das Netz auf unsere Rechnung gebaut. Der Glasfaseranschluss bis ins Haus beziehungsweise Gebäude ist für Bürgerinnen und Bürger sowie Gewerbetreibende dann absolut kostenlos.“

Klare, transparente Kommunikation sieht anders aus.

Schneller und besser für alle?

Wenn es nun darum geht, ob irgendjemand etwas „einfach so“ bekommt, dann muss man konstatieren: Das Gegenteil ist der Fall. Letzten Endes sparen Privathaushalte mit den Tarifen von Teranet und Co. erst einmal gar nichts. Unten habe ich mal die Erkenntnisse aus dem Überfliegen der Teranet-Glasfaser-Tarife herausgeschrieben. Der vielbeschworene „Geschwindigkeits-Booster“ kommt dann zum tragen, wenn man bereit ist, dafür im Jahr fast 1000 € zu bezahlen. Die Tarife, die sich „Normalsterbliche“ leisten können, entsprechen schlichtweg dem, was der Markt bisher ohnehin anbietet – und sogar wesentlich günstiger.

Aber 1000 Mbit!

Ja sicher! 1000 Mbit/s im Downstream sind eine echte Hausnummer. Von der Bandbreite hätten wir vor einigen Jahren nicht einmal zu reden gewagt. Es klang völlig absurd. Was man alles tun könnte?! Vor allem für Deutschland. Andererseits… Sind wir doch einmal ehrlich: Wozu?

Ich nutze daheim 200 Mbit/s-Kabelinternet zu 29,90 €. Damit bin ich 4mal schneller als der günstigste Teranet-Tarif für den ich sogar 133 % im Vergleich zum jetzigen berappen dürfte. In der Kostenfrage zeigt sich damit jedenfalls kein wirkliches Argument, weshalb sich die Stadt rund um Bürgermeister Sandro Zehner so vehement dafür einsetzt, dass Teranet von möglichst vielen Einwohner:innen er Stadt beauftragt wird, Glasfaser zu verlegen. Mein Anbieter gibt mir im Übrigen die 1000 Mbit-Leitung für 49,90 €, wenn ich möchte. Glasfaser, die schon lange verlegt ist. Ganz ohne Teranet, ganz ohne GVG. Was kosten Teranet-Tarife?

Teranet-Tarife
50 Mbit = 39,90 € monatlich
300 Mbit = 49,90 € monatlich
1000 Mbit = 74,90 € monatlich zzgl. 138,00 € Bereitstellungspreis

Quelle: teranet.de, Stand 10.2022

Womit wir schon beim zweiten Punkt wären: Teranet bringt nichts mit, was es nicht schon an vielen Ecken in Taunusstein gibt. Denn Unitymedia hatte seinerzeit das Kabelnetz flächendeckend mit Glasfaser versorgt.

Wer braucht überhaupt 1000 Mbit?

Daheim surfen, Streaming-Dienste für Filme, Musik und Gaming nutzen, Datensicherungen, Videotelefonie. Bei den meisten der vorgenannten Punkte finden sich bestimmt die meisten wieder. Auch ich – inkl. Home-Office. Schon seit langem. Mit 200 MBit und völlig ohne Probleme. Letztlich scheiterte es bisweilen höchstens an dicken Betonwänden, die das WLAN-Signal abschwächten. Aber einmal ganz ehrlich: Die aller wenigsten Privatpersonen brauchen diese 1000 Mbit tatsächlich – und für rund 75 € im Monat ohnehin nicht. Es wird also mehr ein Bedarf suggeriert als gedeckt.

Klar, theoretisch können damit alle Familienmitglieder parallel Konferenzen abhalten, Online-Games spielen und Netflix gucken, während sie die Home-Office-Arbeit erledigen. Die Realität sieht doch aber anders aus. Der effektive Nutzen liegt bei anderen.

Glasfaserausbau für die Wirtschaft

Damit zum zentralen Punkt, um den sich die Bemühungen drehen. Der Glasfaserausbau ist ein wichtiges Argument für Kommunen, die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen und Firmen an den Standort zu binden bzw. diesen für neue Firmen interessant zu machen. Denn Firmen haben teilweise einen enormen Datenverkehr und brauchen exorbitante Bandbreiten. Ob und inwiefern das den Bürger:innen tatsächlich nützt, steht damit an zweiter Stelle. Die Privathaushalte finanzieren damit einmal mehr eine Infrastruktur, die in letzter Konsequenz von der Wirtschaft genutzt werden. Okay, dadurch werden Gewerbesteuereinnahmen generiert. Puderzucker für die Wirtschaft. Vor allem aber für die Investoren hinter GVG.

Nach Emil, dem On-Demand-ÖPNV-Dienst, wird da nun gewissermaßen Glasfaser zum neuen Prestige-Objekt für Taunusstein. Die Stadt hat sich vom Unken der Investoren rund um die GVG vernebeln lassen, die selbst auch nur zu einem Kreis von Investments angehört. Das kommunale Engagement beim Ausbau dient somit einmal mehr Investmentgesellschaften, die direkt von eben diesen Bemühungen profitieren.

Auf ihrer Website rühmt sich die Gesellschaft GVG damit, bereits „93 000 Private und geschäftliche Kunden mit Internetgeschwindigkeiten bis zu 1 Gbit/s“ (https://gvg-glasfaser.de/unternehmen/#ueberuns) einkassiert zu haben. Zahlen, die sicher nicht unmaßgeblich darauf zurückzuführen sind, dass sich Kommunen proaktiv vor den Karren spannen lassen und munter Werbung für das Unternehmen machen, das erst vor 3 Jahren von seinem letzten „Besitzer“ abgestoßen wurde (https://www.rautenbergco.com/de/unsere-erfolgsbilanz/transaktionen/rautenberg-moritz-co-advises-mercurius-and-further-shareholders-on-the-sale-of-gvg-glasfaser-to-palladio-partners/).

In der Pressemitteilung der GVG vom 25.10.2022 heißt es:

"Hinter der Unternehmensgruppe GVG Glasfaser steht der unabhängige, eigentümergeführte deutsche Investor Palladio Partners mit Sitz in Frankfurt/Main. Dank großer institutioneller Investoren wie Pensionsfonds, Versicherungen, Versorger und Kirche sowie einem langfristigen Investitionshorizont ohne Enddatum übernimmt die GVG Verantwortung für einen zukunftssicheren Ausbau. Die gebaute Infrastruktur bleibt damit langfristig in eigener Hand. Mit ihrer regionalen Marke nordischnet und ihrer bundesweiten Marke teranet versorgt die GVG Privat- und Geschäftskundinnen und -kunden zuverlässig mit hochleistungsfähigem Internet, Telefonie sowie Fernsehen. Mittlerweile ist die GVG in mehr als 200 Kommunen aktiv und zählt knapp 90.000 Kundinnen und Kunden. Damit ist sie einer der führenden deutschen Telekommunikationsanbieter in puncto echte Glasfaseranschlüsse." – https://www.teranet.de/sites/default/files/2022-10/PM_GVG_PoPAufstellung_Puchheim_25102022.pdf

Schlussendlich hat die Größenordnung, mit der GVG die Kampagne parallel in verschiedenen Kommunen fährt und durch die lokalen, kommunalen PR-Abteilungen Legitimation erfährt, einen bitteren Beigeschmack. Die Frage muss erlaubt sein, wie sehr wir weiterhin der Privatwirtschaft die Hoheit darüber geben wollen, ob und wie sich Privat-Menschen entwickeln und an Entwicklungen teilhaben können. Die Vehemenz, mit der mit Lokalpolitikern die Werbetrommel für ein privatwirtschaftliches Investment-Projekt rühren, ist bedenklich.

Comments from Mastodon:

3 Gedanken zu „Glasfaserausbau – für wen wirklich?“

  1. Hallo Herr Klaus,
    ich habe eben ihren Artikel über den Glasfaserausbau in Taunusstein gelesen. Ich wohne in Watzhahn und bin auch von der Werbung von Terranet betroffen. Mittlerweile habe ich mich entschlossen meinen Anschluss bei der Telekom ( 50Mbit )
    zu behalten, der reicht nämlich für meine Ansprüche derzeit und hat auch noch Reserve nach oben. Das Argument rückständig zu sein zieht bei mir nicht, denn ich habe als Ingenieur beim ZDF, bis zu meinem Ruhestand vor 3 Jahren, jeden Tag mit der Glasfasertechnik zu tun gehabt und schätze die Vorteile. Letztendlich muss der entstehende Aufwand ( Baumaßnahmen und Inbetriebnahme ) für mich auch Sinn machen. Die Frage nach Umwelt und Ökonomie beim Errichten einer zweiten Netzstruktur wird durch die Werbenden überhaupt nicht gestellt.
    Die wenigsten Leute wissen nicht, dass Watzhahn schon längst mit Glasfaser an die weite Welt angeschlossen ist. Es geht
    jetzt wirklich um die letzten 100-500 Meter vom „Kasten“ zum Übergabepunkt im Haus und von dort muß es mit neuer Leitung zur  „Fritzbox“ gehen. Das alles wird, wie sie auch beschreiben, von Terranet kaum thematisiert und ich denke manchmal, den Entscheidern im Stadtparlament bzw. im Kreis sind diese Einwände nicht bekannt oder werden ignoriert.
    Terranet zeigt nirgends den waren Aufwand für ihre neuen Kunden auf. Die Verträge werden vor einer Begehung durch einen
    Techniker abgeschlossen. Den geschäftlichen Hintergrund möchte ich nicht bewerten
    Es gibt auch hier in Watzhahn Mitbürger, die Bandbreiten realistisch bewerten und mit dem, was ist zufrieden sind.
    Ich habe ihnen diese Mail geschrieben, um aufzuzeigen, dass sich doch auch Taunussteiner Bürger Gedanken machen und nicht alles einfach hinnehmen.

    Eberhard Ache

    Antworten
    • Hallo Herr Ache,
      vielen Dank für den ausführlichen Kommentar!

      Ich möchte mit meiner Antwort bei Ihrem letzten Satz anfangen.

      Der Artikel sollte keinesfalls behaupten, dass sich „die Taunussteiner:innen unkritisch“ zu dem Thema verhalten. Im Gegenteil. Jedoch sollte er klarmachen, dass gerade die Stadt hier aufgefordert ist, wirklich transparent zu kommunizieren, mit wem und aus welchem Interesse heraus der „Partner“ dieses „Angebot“ macht. Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass sich einige Menschen Gedanken machen. Leider aber viel zu leise. Umso dankbarer bin ich für Ihren Kommentar.

      In dem Punkt, dass nicht alle Menschen zwanghaft eine 1000er Leitung brauchen, gebe ich Ihnen zudem auch vollkommen recht. Zumal alles eine Kostenfrage ist – und die beantworten etablierte, seriöse Anbieter zudem bei gleicher Lei(s)tung wesentlich günstiger als Teranet. Einer der großen in Taunusstein vertretenen Anbieter gab bis vor kurzem (ich weiß nicht, ob aktuell noch) bei Bestandsverträgen die Möglichkeit zum Aufstocken auf 1000 Mbit für knapp über 40 € inkl. Telefonie. Was will man da mehr? Der Tarif von Teranet erscheint dadurch jedenfalls noch fragwürdiger.

      Die letzten Tagen stand bei uns an der Wohnungstür eine Delegation von Teranet, in der Hoffnung, ihren Vertrag bei uns platzieren zu können und abfragen wollte, ob Bedarf daran besteht, dass man das Haus an das Netz anschließe. Eine ziemlich seltsame Situation, in der Teranet angeblich von der Hausbesitzerin dazu beauftragt wurde – und nicht wusste, dass es ein Hausbesitzer ist und gleichzeitig nicht weiß, dass das Haus bereits mit 1000 Mbit versorgt ist. Dazu werde ich in den kommenden Tagen noch etwas schreiben. Dass da jedenfalls Kolonnen an Wohnungstüren aufschlagen um in Vorwerk-Manier Verträge aufzudrücken oder zumindest Daten zu sammeln ist imho überaus fragwürdig. Kaum verwunderlich im Nachhinein, dass sie sich auch nicht dadurch beeindruckt zeigten, als meine Frau ihnen zu verstehen gab, dass sie die falsche Ansprechpartnerin sei und sich mit dem Thema nicht beschäftigt. Ein bisschen schade, dass ich an dem Tag ausnahmsweise in der Firma zum Arbeiten war anstatt im Homeoffice.

      Wie ich Ihrem Kommentar entnehme, haben Sie einschlägige Erfahrungen zu dem Themenkomplex. Haben Sie Ihre Bedenken und/ oder Gedanken bereits an die Stadt gegeben? Wenn ja, wie ist die Reaktion hierauf ausgefallen?

      Freundliche Grüße
      Sebastian Klaus

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