49 €-Ticket – Erste Schritte ohne Richtung?

Ein Schritt in die richtige Richtung. Doch die Hürden sind für viele zu hoch. Ganz unabhängig vom Preis.

Bevor sich nun Wissing an seinen Lebensweisheiten wie „je mehr Menschen das Ticket kauften, umso größer sei die Chance, dass es nicht teuer werde“ gesundstößt, gibt es einige weitere Baustellen, die die FDP konsequent ignoriert.

  1. Perspektivisch nicht sozialgerecht: Das 49-Euro-Ticket soll im Preis für zwei fixiert sein. Danach erfolgt die dynamische Preisanpassung, um einen automatischen Inflationsausgleich zu erreichen. Verglichen mit der Unfähigkeit des Marktes und der Behörden, Gehälter, Löhne und Sozialleistungen an die Inflation anzupassen, ist klar, wohin die Reise gehen wird.
  2. Einheitspreis problematisch: Der Pauschalpreis deckt sich nicht mit der Lebenswirklichkeit von Familien. Mit 2 schulpflichtigen Kindern zahlt z. B. in Taunusstein eine Familie monatlich über fast 70 € für die Monatskarten beider Kinder zur Schule in der gleichen Stadt. Mit dem 49 €-Ticket ist diesen damit schon einmal nicht geholfen.
  3. Einführung spät: Das Neun-Euro-Ticket ist seit September ausgelaufen. Wenn es gut läuft, soll der Nachfolger Anfang 2023 kommen. Bisher eingerichtete Vertriebsstrukturen der Verkehrsbetriebe sind somit wieder abgebaut und müssen teils neu implementiert werden. Unabhängig davon mussten viele seit Ende des Neun-Euro-Tickets wieder völlig überzogene ÖPNV-Regulärpreise zahlen. Von Taunusstein nach Wiesbaden sind das dann eben 123,10 € (Stand 10.2022).
  4. Ausbau des ÖPNV nach wie vor unzureichend: Ob Bus oder Bahn, ein Ticket bringt nicht viel, wenn verschiedene Alltagstrecken nicht möglich oder verfügbar und andere zeitlich völlig unsinnig sind. Die Taktung muss verbessert werden, die Anbindung ländlicher Regionen muss konsequent erfolgen. Super hippe „Ergänzungen“ zum ÖPNV, wie z.B. On-Demand-Shuttles müssen vom 49 €-Ticket umfasst sein und nicht weiter on-top zur Zeitfahrkarte abgerechnet werden.
  5. Reaktivierungen vorantreiben: Die Politik blockiert teils seit langem oder lässt sich von Lobbyisten übertölpeln. Auch im Rheingau-Taunus-Kreis ist der ÖPNV mehr Wahlkampf als Lebensrealität. Die tölpelhafte Blockade einer Reaktivierung der #Aartalbahn durch die AfD im Kreistag ist dafür bezeichnend.
  6. Das 49 €-Ticket ist nicht über einen einfachen Kauf wie das #9EuroTicket gedacht. Es ist ein Abonnement notwendig und somit jede Person ausgeschlossen, deren Kreditwürdigkeit nicht ausreicht, um Laufzeitabonnements abzuschließen. Gleichzeit spült das neue Ticket damit Unmengen von neuen Datensätzen in die Datenbanken von Auskunfteien, im schlimmsten Fall von Inkassobüros. Dass es monatlich kündbar ist, ist somit nur ein schwacher Trost.
  7. Kauf und Nutzung sollen digital erfolgen. Das stellt gerade Menschen ohne Geld für aktuelle Smartphones und/oder Datentarife vor eine Herausforderung. Denn allzu viele Apps von Verkehrsverbünden setzen Internet zur Nutzung und vor allem Anrufen des Tickets bei Kontrollen voraus. Dass die Tickets zusätzlich physisch ausgeben werden, bleibt zu hoffen, ebenso wie die Tatsache, dass der gesamte Bestellprozess auch analog möglich sein muss.
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