Gott sei Dank?

Immer wieder höre ich, vor allem freitags: „Gott sei Dank ist Wochenende!“ Richtig wäre: „Gewerkschaft sei Dank!“

Ganz gleich ob Wochenende oder Feierabend, bezahlter Krankheits- oder Urlaubstag, immer erfreuen wir uns alle dabei an Errungenschaften, die Gewerkschaften und gewerkschaftliche Bewegung ab 1830, als sich die ersten Gewerkvereine bildeten, unter höchst widrigen Umständen erstritten haben. Neben einer allgemeinen Ablehnung der aufstrebenden Kapitalisten von Erleichterungen für Arbeitende, waren es vor allem die Sozialistengesetze (offiziell: Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie) Kaiser Wilhelms.

Offiziell aufgrund von Attentaten auf den Kaiser veranlasst, trat das Gesetz am 22. Oktober 1878 inkraft und wurde in der Folge viermal verlängert. Schluss damit war am 30. September 1890 aufgrund fehlender Mehrheiten. Zwölf Jahre, in denen sich die Menschen weiterhin gewerkschaftlich organisierten, doch aufgrund von reaktionären Machtverhältnissen kriminalisiert wurden. Massenverhaftungen waren seinerzeit keine Seltenheit und auch die Strukturen selbst litten und wurden massiv geschwächt.

Die Betätigung in gewerkschaftlichen Strukturen war also unter Androhung und Anwendung von Haftstrafen verboten, ohnehin von ständiger Repression und Diffamierung geprägt und in den Untergrund gedrängt. Einzig die SPD im Reichstag verblieb in einer Art Quasi-Legalität. Zwölf Jahre paradiesische Zustände für Kapitalisten.

Bismarck kein selbstloser Reformer

Wir alle kennen die Lobpreisungen an Otto von Bismarck für diverse Sozialreformen und Gesetze rund um Invaliditäts- und Altersabsicherung, die sog. Sozialgesetze. Dabei war es nicht Bismarcks Empathie mit den Arbeitenden, die ihn dazu trieben, sich für diverse halbherzige Erleichterungen.. Vielmehr war es das Wissen darum, dass das Sozialistengesetz im kommenden Jahr, 1890, höchstwahrscheinlich nicht wieder verlängert werden würde. Seine und die Angst der Kapitalisten, Liberalen, Kirchen und Nationalisten vor einem erneuten Aufstreben Sozialistischen, also dem Sozialen, verbundenen Denken trieb Bismarck und die Regierung an. Letzten Endes sollten die „Sozialgesetze“ dazu dienen, den Gewerkschaften das Wasser abzufragen, bevor sie aufgrund des auslaufenden Repressionsgesetzes wieder in der Fahrrinne durchstarten.

Damit rechtfertigt und bekräftigt die Regierung Bismarck ganz unfreiwillig alles, wofür die freien Gewerkschaften mit der Zeit gekämpft und gestritten haben, was ihre Mitglieder und Funktionär:innen ertragen und geleistet haben. Dauerhafter und unerschrockener Druck auf ein komplettes System, das sich darauf geeinigt hat, das meiste aus dem zur Verfügung stehenden Humankapital herauszuholen. Oder kurz: Kampf gegen die Ausbeutung von Menschen, die im Abhängigkeitsverhältnis stehen.

Dank den Gewerkschaften

Die guten Gründe, Gewerkschaften zu danken, noch besser aber, sie aktiv zu unterstützen, sind vielfältig. Von ganz offensichtlichen Änderungen und Erleichterungen, die sie bewirkt haben, ist es auch der ständige diffuse Druck dieser Massenbewegung, der immer wieder abschreckend auf Pläne von Monopolkapitalisten, Weltmarktführern aber auch lokalen Betrieben wirkt, wann immer sie planen, ihren Kopf durchzusetzen, entgegen den Bedürfnissen der Menschen, die ihren Profit erarbeiten.

Zu den offensichtlichen, zahlbären Errungenschaften gewerkschaftlicher Arbeit zählen zum Beispiel:

  • Mindestlohn
  • mind. 24 Tage bezahlter Urlaubsanspruch
  • tägliche Arbeitszeit unter 12 Stunden
  • Verbot von Akkordarbeit
  • Abschaffen der Kinderarbeit
  • Lohnfortzahlung bei Krankheit
  • Einsetzen von Personal- und Betriebsräten
  • Home-Office und mobile Working

Was hat Gott mit dem Wochenende zu tun?

Schlussendlich bleibt die Frage zu beantworten, was Gott mit deinem Wochenende zu tun hat, außer, dass du sonntags in die Kirche gehen sollst. Die christlichen Institutionen jedenfalls haben offensichtlich kein allzu großes Interesse daran, sich weltlichem Arbeitsrecht unterzuordnen.

Wie schon zur Zeit, als Gewerkschaften aufstrebten, verbleibt „die Kirche“ in ihrer reaktionären Position und wittert, wie auch seinerzeit, sozialistische Zustände. Übrigens waren es christliche Gewerkschaften, die sich vor dem ersten Weltkrieg bereitwillig, gar willfährig auf die Seite von Nationalisten geschlagen und ihre Agitation entsprechend christlich-nationalistisch zu führen. Das nur am Rande.

Schönes Wochenende!

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