Mindestlohn und Rheingau-Taunus-Kreis, das erscheint für viele Menschen oberflächlich betrachtet wie eine obsolete Gleichung. Wo sich doch SUVs, Prestige-Stromer und Luxusimmobilien offensichtlich noch potenter vermehren als die Inflation das Geld entwertet und Weingüter ein Fels in der Brandung sind. Tatsächlich aber liefert unter anderem die Gewerkschaft NGG im Zuge Ihrer Initiativen-Arbeit für 12-Euro-Mindestlohn 14 610 gute Gründe, das alles zu hinterfragen. Auch in der Landeshauptstadt Wiesbaden mit ihren Alleen, dem Casino und dem Landtag, einer Pferderennbahn und Flaniermeilen am Hafen, sieht es nicht besser aus. 20 000 Menschen werden dort systematisch zu gering entlohnt.
Das Newsportal Wiesbaden Aktuell zitiert den Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG, Peter-Martin Cox, wie folgt:
Die versprochene Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro ist ein Meilenstein. Damit werden in der Region die Einkommen vieler Beschäftigter deutlich steigen – insbesondere in Hotels, Gaststätten, Bäckereien oder Fleischereien. Sie arbeiten häufig zu Löhnen, die zum Leben nicht reichen – auch weil Unternehmen ausgehandelte Tarifverträge unterlaufen.
WiesbadenAktuell.de

Die Gewerkschaft NGG Rhein-Main erreichst du übrigens bei Rückfragen per E-Mail an die Geschäftsstelle.
Die Geschäftsstellen-Suche findest du hier: ngg.net
Umso lauter die Rufe nach einem Ansteigen des Mindestlohns werden, desto mehr Personen aus der Wirtschaft kommen hervor und versuchen dagegen zu agitieren. Aus Respekt den Belegschaften gegenüber werde ich entsprechende Statements hier nicht wiedergeben. Die den Mindestlohn infrage stellenden Punkte haben sich mit Einführung des ersten Mindestlohns 2015 selbst widerlegt. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, Herrn Cox von der NGG im Großen und Ganzen beizupflichten.
Betonen möchte ich dabei auch, dass das keine utopischen Luftschlösser von Gewerkschafter:innen und Klassenkämpfer:innen sind. Selbst der Ökonom Marcel Fratzscher (DIW) stellte unlängst fest:
Ein Mindestlohn von 12 Euro wäre aus jeglicher Perspektive sinnvoll – abgesehen davon, dass es dem Staat auch eine Menge zusätzliche Steuereinnahmen bringt, umgerechnet 17 bis 20 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen durch zusätzliche wirtschaftliche Aktivität, höhere Einkommen und damit höheren Konsum. Auch die Sozialausgaben für Aufstocker würden reduziert werden.
rtl.de
Mindestlohn-Kommission übergehen?
Wie ich bereits im Artikel Mindestlohn in der Kritik erwähnte, überlegen Arbeitgeberverbände bereits mobil zu machen gegen den Mindestlohn. Die alte Mär vom Jobkiller kursiert da genauso wie die Vorstellung, dass die Politik nicht in die Arbeit der Mindestlohn-Kommission eingreifen dürfte, die nach Mindestlohn-Gesetz Anpassung zum Mindestlohn vorschlägt. Fakt ist jedoch, da ist sich auch Marcel Fratzscher vom DIW sicher, dass es sich bei der Kommission für den Mindestlohn um eine politische Kommission handle und daher der Eingriff bzw. eine Vorwegnahme durch die Bundesregierung legitim ist. Letztlich ist die Kommission m. E. lediglich Empfehlungsgeber.
Diskussion gegen Mindestlohn ist Lobby-Instrument
In kaum einem anderen europäischen Land sind Wirtschaftslobbyisten derart stark wie in Deutschland. Kein Wunder also, dass es bis zum Jahr 2015 dauerte, bis man sich für einen mehr-oder-weniger und nicht-ganz-so-verbindlich Mindestlohn erweichen konnte. Mit der Novellierung 2017 war Deutschland dann endlich grundsätzlich im 21. Jahrhundert angekommen. Zu diesem Zeitpunkt verfügten bereits fast alle europäischen Länder über einen Mindestlohn. Wenig rühmlich also für das Land von Karl Liebknecht. – Ebenso wie die Tatsache, dass der deutsche Mindestlohn miserabel abschneidet.
Ein Blick in andere europäische Länder offenbart zudem eine weitere Großbaustelle in Sachen Mindestlohn. Vor allem Skandinavien hat hier der deutschen Arbeiter:innen-Klasse einiges voraus. Dort sind rund 80 % der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert und verleihen somit ihren Gewerkschaften die nötige Basis, um selbstbewusst zu agieren. Somit war es möglich, flächendeckend Mindestlöhne auch ohne Intervention des Gesetzgebers durchzusetzen.
Gewerkschaftsarbeit immer wichtiger
Ich begrüße es sehr, dass sich unter anderem die Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) derart offensiv dafür einsetzt, dass der Mindestlohn künftig 12 € betragen soll.
Der Vorsitzende der NGG, Guido Zeitler, gibt folgerichtig zu bedenken: „Angesichts der starken Inflation sollte dies jetzt schnell gehen, Millionen Menschen brauchen dringend Hilfe. Der schnelle Mindestlohn-Sprung wäre auch das bestmögliche Signal, dass es die Ampel wirklich ernst meint mit Fortschritt und Aufbruch.“
10 Pro-Argumente zum Mindestlohn
Der Mindestlohn …
- kann sicherstellen, dass Menschen gut von ihrer Arbeit leben können.
- vermittelt Wertschätzung und mindert Frustration durch Ungerechtigkeiten beim Gehalt.
- reduziert die Abhängigkeit von Sozialleistungen des Staates.
- reduziert durch weniger Notwendigkeit staatlicher Unterstützung Bürokratie.
- entlastet durch geringere Aufstock-Leistungen den Staatshaushalt.
- fördert den Wettbewerb und Arbeitsbedingungen geraten am Arbeitsmarkt in den Fokus.
- schafft Gleichberechtigung, indem er Ost- und West und alle Geschlechter gleichstellt.
- stoppt den Abwärtstrend von Löhnen und sorgt für ein verlässliches Fundament auch bei Jobwechsel oder Wiedereinstieg.
- fördert die Binnennachfrage, da das „Plus“ bei den meisten hauptsächlich für den täglichen Bedarf zum Einsatz kommt.
- schafft Transparenz und Klarheit für alle Beschäftigten.
Mindestlohn rauf, Arbeit neu denken
Mindestlohn-Erhöhung und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen sind ein essenzieller Bestandteil eines zeitgemäßen und im Idealfall zukunftsfähigen Arbeitsmarktes. Doch nicht nur die Entlohnung ist entscheidend. Viele Menschen wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit ihres Privatlebens mit dem Beruf. Nicht zuletzt hinsichtlich Familienplanung und folglich Familienleben. Letzteres leider massiv darunter, dass wir Kinder in öffentlichen, teils zu teuren Verwahranstalten unterbringen, nur um arbeiten zu können. Die ein oder andere Familie gerät dadurch in einen Strudel aus Nebenjobs, da auch die zusätzlich nötige Kinderbetreuung bezahlt werden will. Somit liegt auf der Hand, dass das Ziel der künftigen Arbeit nicht sein darf, dass die Eltern zwangsweise beide Vollzeit arbeiten, um horrende Mieten oder aus dem Ruder gelaufene Energiekosten zu zahlen. Letztlich muss es darum gehen, Familien wieder die Möglichkeit zu geben, als solche zu leben. Es darf nicht sein, dass sich Menschen entscheiden müssen, ob sie ein Familienleben führen oder Geld für ein glückliches Familienleben haben.
Deswegen meine Forderungen in der Mindestlohn-Debatte
- Mindestlohn auf 13 € erhöhen!
- Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden begrenzen, bei vollem Lohnausgleich!
- Arbeitgeber an Kinderbetreuungskosten beteiligen und damit die Staatskasse entlasten.
- Einsparungen durch diese Entlastungen nutzen, um in die Finanzierung der gesetzlichen zu investieren!
- Mindestrente 1 200 € für alle!
- Ausweitung der Zoll-Kontrollen zur Einhaltung aller Vorgaben durch Arbeitgeber (z.B. Arbeitsschutzgesetz, Mindestlohn-Gesetz).
- Minijobs in reguläre Arbeitsverhältnisse überführen
- gesetzliche flächendeckende Höchstgrenzen für Überstunden