Pressemitteilung von DGB Kreisverband Wiesbaden-Rheingau-Taunus und
Initiative „GEMEINWOHL HAT VORFAHRT“ vom 26.7.2021
Lebendige Innenstadtquartiere brauchen flächendeckenden Schutz vor Teuerung. Die Invasion von Edelgastronomie und Edelwohnen raubt Städten ihre Eigenart und Attraktivität.
Das absehbare Ende des hochgeschätzten „Winzerstübchens“ im Dichterviertel erregt zu Recht die Gemüter. Dem Investor oder der Wirtin die Schuld für die verfahrene Situation zuzuschieben, ist ungerecht. Die Ursachen des Problems liegen tiefer – hier macht sich Systemversagen bemerkbar: Der Markt kann vieles, aber er kann nicht alles wirklich gut. Wenn man seine Dynamik nicht in gemeinverträgliche Bahnen lenkt, geht er regelmäßig in die Irre. Ein plumpes Marktgesetz heißt Wertsteigerung – Einzelobjekte der Vermarktung sollen größtmögliche Renditen erwirtschaften. Das liegt im Interesse von Investoren, aber die Verantwortung für das Große und Ganze wie den sozialen Zusammenhalt, die Lebensqualität und die Unverwechselbarkeit eines Quartiers tragen sie nicht.
Wo allein der Markt regiert, veröden gewachsene Strukturen. Der Investorengewinn wird optimiert, aber der charmante Mangel an Perfektion, das Ursprüngliche und Authentische lassen sich nicht wirtschaftlich optimieren und haben da kaum eine Überlebenschance.
Das gemütliche und urige „Winzerstübchen“ ist gerade erst auf der roten Liste der bedrohten Restaurant-Arten gelandet – im totalsanierten „Uhrturm“ und „Weinhaus Kögler“ regiert meist der Leerstand. Und im Dichterviertel, Bergkirchenviertel oder Rheingau-Viertel/Hollerborn sowie an zahlreichen weiteren Stellen in Wiesbaden drückt der Gentrifizierungs-Schuh brutal, drohen Schäden, die sich im Nachhinein kaum reparieren lassen.
Hans-Georg Heinscher (Sprecher der Initiative GEMEINWOHL HAT VORFAHRT):
Wir wissen: Grundsätzliche Änderungen erreicht man nicht von heute auf morgen, sie kommen im Einzelfall oft zu spät. Als Akut-Nothilfe sollte sich der „City-Manager“ im Fall des „Winzerstübchens“ beiden Parteien als Vermittler anbieten und städtische Hilfen bei der Kompromisssuche in Aussicht stellen.“
Sascha Schmidt (Vorsitzender des DGB Wiesbaden Rheingau-Taunus): „Über einen solchen Versuch der Last-Minute-Schadensminimierung hinaus aber ist es notwendig, in Wiesbaden rasch flächendeckende Erhaltungssatzungen für die Innenstadtquartiere in Kraft zu setzen. Bei allzu kleinteiligen Schutzzonen fällt manch Bewahrenswertes am Ende doch wieder durch den Rost. Als Eignerin von Liegenschaften kann und muss die Stadt Wiesbaden die Mieten für Wohn- und Gewerbeimmobilien auf erträglichem Niveau deckeln. Das wirkt der Abwanderung von Bewohner*innen, Einzelhandel und Gastronomie, die nicht so zahlungskräftig sind, entgegen und setzt keine Fehlanreize wie die nachträgliche Mietbezuschussung.“
Pressemitteilung zur Verfügung gestellt von Sascha Schmidt Kreisverbandsvorsitzender DGB