Vollmundig kündigt die Stadt Taunusstein an, unter Federführung der hiesigen CDU, in Kooperation mit dem RTV, im August einen On-Demand-Shuttle-Service zu starten. Rund 1000 virtuelle Haltestellen sollen dazu führen, dass die Menschen in Taunusstein weniger Auto fahren und trotzdem schneller überall hinkommen.
EMIL startet am 2. August 2021 in Taunusstein
Wenn „EMIL“ startet, läutet die Stadt Taunusstein keine neue Epoche ökologisch sinnvoller Mobilität ein. Auch, wenn sie das gerne so hinstellt. Im Folgenden geht es übrigens nicht darum, irgendwem seinen Kleinstadt-Kreuzer aka SUV wegzunehmen. Es sollte vielmehr darum gehen, Menschen echte Alternative zum Pkw anzubieten.
Trendy T-Stone?
Natürlich ist es ein Nice-To-Have und irgendwie trendy – Bus per App bestellen, digital und ab damit. Fraglich ist doch aber, wer damit erreicht wird und vor allem was.
Viele Menschen, die Bedarf an einem flexiblen On-Demand-System hätten, wären wohl jene, die Kurzstrecken (z. B. bis zur nächsten Bushaltestelle) in Taunusstein nicht zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen können. Erreicht man diese Menschen mit einem App-Angebot? Ich bin mir nicht sicher, denn sehr häufig handelt es sich eben dabei auch um Senior:innen.
Wie schon beim unnötigen Einrichten der Mitfahrbänke, sehe ich erneut, dass sich die Stadt selbst in ihren alten Zöpfen einwickelt und verheddert. Einmal mehr wird auch das Unvermögen ersichtlich, ein zukunftsfähiges Konzept auf die Beine zu stellen und genau das als Novum zu verkaufen.
EMIL wird weder der Verkehrswende dienen noch den ÖPNV wesentlich attraktiver machen. Denn was fehlt, sind konsequente und vor allem kostenfreie Buslinien zwischen Taunusstein, Wiesbaden, Hohenstein, Bad Schwalbach und in den Rheingau.

Wahrscheinlich ist EMIL als neuer PR-Liebling der Stadt eine eigentlich gut gemeinte Idee. Sinnvoll gewiss, wenn es darum ginge, ein Plus zu einer ansonsten funktionellen ÖPNV-Struktur. Zukunftsmusik also schon heute und damit die Gegenwart außenvorgelassen.
Selbst in der Umfrage, die von Stadt und Verkehrsgesellschaft breitgetreten wird, gaben nur 20% an, mehr Flexibilität zu wünschen, um das Auto stehen zu lassen. 49% sind genervt von der Parkplatzsuche bei privaten Erledigungen. 46% sind genervt von Staus auf dem Weg zu Arbeit. Dass diese Umfrageergebnisse folglich mit der Situation in Taunusstein nicht viel gemein hat, ist klar. Ein morgendlicher Blick auf die Eiserne Hand und die Straßen in den Rheingau und das Umland zeigt: EMIL kann zu nichts anderes als einem grünen Lappen auf einem Plakat führen.
Habt ihr einmal versucht, mit dem Bus pünktlich zur Arbeit nach Eltville zu kommen, wenn ihr nicht direkt am ZOB wohnt? Zwei-, teils dreimal umsteigen, mindestens 60 Minuten Fahrt. Knapp 7 Euro pro Tag. Ab Hohenstein sogar mit mehr als 1,5 Stunden Fahrtzeit noch schwieriger.
Jemandem da die Vorteile des ÖPNV nahezulegen ist fast unmöglich und augenscheinlich nicht gewollt. Auch eine Busfahrt nach Wiesbaden sieht nicht besser aus. Im Gegenteil.
Zur Lebenswirklichkeit vieler Menschen gehört hierbei auch, dass mit ÖPNV zeitliche Anforderungen wie Kita-Abholzeiten und Co zur Zeit nicht eingehalten werden können. Wer zur Zeit insgesamt 3 Stunden am Tag im ÖPNV für 30 km Gesamtstrecke sitzt, der hat jedenfalls ein Gespür dafür, wie rückständig Verkehr im Rheingau-Taunus-Kreis ist. 🤷🏾♂️
Klare Anforderungen an echten ÖPNV
Das Gefuddel mit EMIL ist also schlicht Greenwashing. Nicht mehr, nicht weniger. Denn es ändert nichts. Ohne Auto ist mensch nach wie vor aufgeschmissen, wenn es darum geht, aus Taunusstein heraus zu fahren und wieder zurück zu kommen.
Darum:
🚩 Aartalbahn reaktivieren und Anbindung an Wiesbaden und sicherstellen
🚩 ÖPNV kostenlos
Wird das Aufkommen an Individualverkehr reduziert, reduzieren sich zudem auch die Kosten für Instandhaltung und Ausbau von Straßen, die Lebensqualität steigt und die Attraktivität für Familien nimmt zu. Ebenso sieht es bei Tagesausflügen in den Rheingau aus. Die Bundesstraße Richtung Rüdesheim ist beim ersten Sonnenstrahl vollgestopft. Eine brauchbare und kostenlose ÖPNV-Anbindung würde hier viel Druck von der Straße nehmen und sogar Potenzial zu Renaturierung asphaltierter Trassen sowie dann nicht mehr benötigten Bodenverdichtungen wie Parkplätzen bieten.
Den Standpunkt der Linken im Rheingau-Taunus-Kreis hat auch der Wiesbadener Kurier aufgenommen und im unten verlinkten Artikel einfließen lassen.
1 Gedanke zu „EMIL lügt: Greenwashing Taunusstein“